Zusammenfassung des Urteils BV 2007/9: Versicherungsgericht
Der Kläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard, forderte eine Erhöhung seiner Invalidenrente von 70 % auf 100 % bei der Stiftung Pensionskasse der Firma W. aufgrund seiner gesundheitlichen Verschlechterung. Die Pensionskasse lehnte dies ab, woraufhin der Kläger vor Gericht zog. Nach eingehender Prüfung durch Gutachter wurde festgestellt, dass die Beklagte ab dem 1. Juli 2003 verpflichtet ist, dem Kläger eine volle Invalidenrente von 100 % zuzüglich Verzugszinsen zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens und der Begutachtung wurden der Beklagten auferlegt.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | BV 2007/9 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | BV - berufliche Vorsorge |
Datum: | 16.12.2008 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 23 BVG: Leistungsanspruch auf eine Invalidenrente der weitergehenden beruflichen Vorsorge. Bejahung des sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen der eingetretenen Arbeitsunfähigkeit während des Vorsorgeverhältnisses und der späteren Erhöhung des Invaliditätsgrades von 70 % auf 100 % (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 16. Dezember 2008, BV 2007/9). |
Schlagwörter : | ähig; Invalidität; Gutachten; Invalidenrente; Vorsorge; Versicherungsgericht; Entscheid; Gericht; Invaliditätsgrad; Abklärung; Pensionskasse; Beklagten; Verzug; Quot; Invaliditätsgrads; Bundesgericht; Arbeitsunfähigkeit; Arbeitsfähigkeit; Herzerkrankung; Verzugszins; Gallen; Kantons; Klage; Klägers; Persönlichkeit |
Rechtsnorm: | Art. 104 OR ;Art. 105 OR ;Art. 2 ATSG ;Art. 73 BV ; |
Referenz BGE: | 115 V 239; 117 V 237; 117 V 351; 119 V 133; 122 V 157; 123 V 262; 125 V 351; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 16. Dezember 2008
in Sachen L. ,
Kläger,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Dominique Chopard, Werdstrasse 36, 8004 Zürich,
gegen
Stiftung Pensionskasse der W. , Beklagte,
betreffend
Invalidenrente Sachverhalt: A.
L. , geboren 1941, war vom 1. Juni 1979 bis 31. März 1993 bei der A. als Leiter Personalwesen angestellt. In dieser Funktion war er bei der Stiftung "BVG-Kasse W. " obligatorisch und bei der Stiftung "Pensionskasse der Firma A. ", heute "Pensionskasse der W. " (nachfolgend: Pensionskasse), überobligatorisch berufsvorsorgerechtlich versichert. Wegen psychischer Störungen sprach ihm die IVStelle St. Gallen mit Verfügung vom 25. Juli 1996 ab 1. August 1993 auf der Grundlage eines Invaliditätsgrads von 70 % eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu. Die Stiftungen anerkannten ab gleichem Datum eine ganze Invalidenrente nach BVG und eine 70 %-Invalidenrente im überobligatorischen Bereich.
Auf Grund der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ersuchte der Versicherte die Pensionskasse um Erhöhung der überobligatorischen Invalidenrente von 70 % auf 100 %. Die Pensionskasse lehnte das Gesuch am 22. Juni 2004 unter Berufung auf die Bindungswirkung des Entscheids der Invalidenversicherung ab, nachdem jene am 1. März 2004 auf ein Revisionsgesuch des Versicherten nicht eingetreten war.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die vom Versicherten am
17. Mai 2005 durch Rechtsanwalt Dominique Chopard, Zürich, gegen die Pensionskasse eingereichte Klage auf Ausrichtung einer überobligatorischen Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von neu 100 % und entsprechender Prämienbefreiung mit Entscheid vom 12. Juni 2006 ab. Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das Bundesgericht mit Entscheid vom 7. Mai 2007 (B 49/06) in dem Sinn gut, als es den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. Juni 2006 aufhob und die Sache an das kantonale Gericht zurückwies. Dieses solle ein interdisziplinäres Gutachten zur Beurteilung der Frage einholen, ob es sich beim Gesundheitsschaden, welcher zur Invalidität geführt hatte, im
Wesentlichen um denselben handelte, wie jener, der die Arbeitsunfähigkeit bewirkt hatte.
B.
Am 6. August 2007 legte das Versicherungsgericht die beabsichtigten Fragen an die Begutachtungsstellen den Parteien zur Stellungnahme vor. Der Kläger äusserte sich mit Eingaben vom 5. September, 1. und 31. Oktober 2007, woraufhin das Gericht den Fragenkatalog anpasste.
Mit Schreiben vom 6. November 2007 beauftragte das Versicherungsgericht die Kardiologie des Kantonsspitals Graubünden sowie die Psychiatrischen Dienste Graubünden mit der Erstellung eines interdisziplinären Gutachtens unter Beantwortung seiner Fragen (BV 2005/11 act. G 44). Am 3. Januar 2008 nahm Dr. med. B. , Leitender Arzt der Kardiologie am Departement für Innere Medizin des Kantonsspitals Graubünden, zum Fragenkatalog des Versicherungsgerichts Stellung (act. G 49). Als Beilage reichte er zwei Berichte an Dr. med. C. , Innere Medizin FMH, ebenfalls datiert vom 3. Januar 2008, über die beim Versicherten ambulant durchgeführte kardiologische Abklärung und die Echokardiographie ein (act. G 49.1 und G 49.2). Mit Gutachten vom 3. Oktober 2008 (eingegangen am 8. Oktober 2008) kam auch Dr. med. D. , Oberarzt Psychiatrische Dienste Graubünden, Klinik Waldhaus, dem Auftrag des Versicherungsgerichts nach (act. G 61).
Am 8. Oktober 2008 lud das Versicherungsgericht die Parteien ein, zu den
durchgeführten Abklärungen abschliessend Stellung zu nehmen.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 verzichtete die Beklagte auf eine
Stellungnahme.
Der Rechtsvertreter des Klägers nahm mit Schreiben vom 7. November 2008 Bezug auf die beiden Gutachten. Er machte sinngemäss geltend, der Gesundheitszustand des Klägers habe sich aus kardiologischer Sicht nach der Bypassoperation vom 17. Juli 2003 wieder verbessert. Die Arbeitsfähigkeit habe sich jedoch aus psychiatrischer Sicht ab April 1995 stetig verschlechtert und sei spätestens im Juli 2003 auf 0 % gesunken. Somit sei erstellt, dass der Kläger aus psychischen
Gründen im Sinn einer Verschlimmerung des ursprünglichen Leidens vollständig arbeitsunfähig geworden sei und die Herzerkrankung lediglich eine Episode dargestellt habe.
Erwägungen:
1.
Bezüglich der rechtlichen Voraussetzungen zum Leistungsanspruch aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge wird auf das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. Juni 2006, E. II. Ziff. 1., 2. und 3.b - d sowie auf das Urteil des Bundesgerichts vom 7. Mai 2007 (B 49/06) E. 3 verwiesen. Für den weiteren Sachverhalt kann ebenfalls auf die beiden Urteile abgestellt werden.
2.
Umstritten und zu prüfen ist, ob der Kläger infolge der ausgewiesenen Erhöhung des Invaliditätsgrads in der weitergehenden Vorsorge Anspruch auf eine Invalidenrente der Beklagten von 100 % hat.
3.
Nachdem beim Kläger im Juli 2003 eine Angina pectoris NYHA III festgestellt worden war, unterzog er sich am 17. Juli 2003 einer dreifachen AC-Bypass-Operation (IV-Verlaufsbericht von Dr. C. vom 22. Dezember 2003, BV 2005/11 act. G 13.1). Seither war er sowohl gemäss Dr. C. als auch dem behandelnden Psychiater
Dr. med. E. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, zu 100 % arbeitsunfähig (BV 2005/11 act. G 13.1). Das Bundesgericht befand jedoch die medizinischen Akten als ungenügend, um gestützt darauf die erforderliche sachliche und zeitliche Konnexität zwischen der Invalidität und der während des Vorsorgeverhältnisses bei der Beklagten eingetretenen Arbeitsunfähigkeit beurteilen zu können. Es sind daher nun die beiden Gutachten von Dr. B. und Dr. D. hinsichtlich der Frage zu prüfen, ob auf Grund ihrer Ergebnisse das Bestehen einer sachlichen und einer zeitlichen Konnexität beantwortet werden kann. Dabei ist zu beachten, dass sofern es sich letztlich ausschliesslich um eine Verschlimmerung des
psychischen Grundleidens handeln sollte - der zeitlichen Komponente praxisgemäss (BGE 123 V 262 E. 1a) keine eigenständige Bedeutung zukommen würde.
Gemäss dem Gutachten von Dr. B. vom 3. Januar 2008 erholte sich der Kläger nach der Bypass-Operation vom 17. Juli 2003 während des stationären Aufenthalts in F. gut. In der Folge sei er in Bezug auf die Herzfunktionen beschwerdefrei geblieben und habe sich gut und leistungsfähig gefühlt. Daran habe sich bis zum Begutachtungszeitpunkt nichts geändert. Auf Grund der objektivierten Leistungsfähigkeit am Ende des stationären Rehabilitationsaufenthalts in F. sei der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt gut belastbar gewesen. Nachdem sich seine physische Belastbarkeit noch deutlich verbessert habe, sei ihm aus kardiologischer Sicht die frühere Teilzeittätigkeit von 20 % - 30 % ab Januar 2004 wieder möglich gewesen.
Dr. D. diagnostiziert in seinem Gutachten vom 3. Oktober 2008 wie bereits Dr. med. G. , Psychiatrie und Psychotherapie FMH, im Gutachten vom Dezember 1995 beim Kläger eine narzisstische Persönlichkeitsstörung ICD-10 F60.8. Zu diesem Krankheitsbild würden auch wiederkehrende depressive Verstimmungen bis hin zur mittelgradigen, aber schwerwiegenden Depression und Suizidalität gehören. Die
Erkrankung sei seit Ende 1995 bis zum Begutachtungszeitpunkt fortgeschritten und die Symptome hätten sich intensiviert. Die verschiedenen im Leben des Klägers seit 1998 eingetretenen Ereignisse wie Stellenverlust, erfolglose Bewerbungen, körperliche Krankheit sowie verminderte physische und psychische Belastbarkeit hätten ihn weiter in seiner narzisstischen Persönlichkeit verletzt und zu wiederkehrenden depressiven Episoden geführt. Die Krankheit habe sich schliesslich zum Vollbild einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung entwickelt. Mit dem Fortschreiten der Erkrankung sei die Arbeitsfähigkeit weiterhin gesunken. Spätestens im Juli 2003 habe sie mit Eintritt der Herzerkrankung 0 % betragen. Die Prognose von Dr. G. im Gutachten vom
8. Dezember 1995, wonach der Kläger schätzungsweise nach zwei Jahren intensiver Therapie wieder hätte in der Lage sein sollen, eine Arbeitsstelle mit höherer Verantwortung und Belastung anzunehmen, habe sich auf Grund der nicht voraussehbaren, einschneidenden Lebensereignisse, nicht bewahrheitet. Erschwerend sei hinzugekommen, dass dem Kläger die Motivation zur Therapie gefehlt habe, was der Störung jedoch inhärent sei. Für den Kläger hätten die Herzerkrankung und die
Bypassoperation somit eine weitere Verletzung bedeutet. Seine physische und psychische Leistungsfähigkeit sei gesunken. Daraus könne mit überwiegender Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden, dass sich der psychische Gesundheitszustand des Klägers auf die Dauer verschlechtert habe. Dr. D. geht davon aus, dass sich die Herzerkrankung in dem Sinn auf die Arbeitsfähigkeit ausgewirkt hat, als sie zusätzlich eine psychische Belastung darstellte. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit habe die psychische Störung mit wiederkehrenden depressiven Phasen auf der Basis der diagnostizierten narzisstischen Persönlichkeitsstörung die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. Dabei habe die Herzerkrankung, wie auch die anderen Ereignisse im Leben des Klägers, lediglich eine Episode dargestellt. Gesamthaft gesehen hätten diese Ereignisse jedoch nicht episodenhafte, sondern andauernde Wirkung gehabt.
Die beiden Begutachter haben die entscheidende interdisziplinäre Frage zur Auswirkung der Herzerkrankung auf die Arbeitsfähigkeit (Frage Nr. 8) ohne gegenseitige Rücksprache ausschliesslich aus der jeweils eigenen fachspezifischen Warte beantwortet. Da ihre Aussagen jedoch ausreichend klar sind, können die Gutachten als sich ergänzende Teile betrachtet werden. Zudem wurden die Gutachtensergebnisse insgesamt umfassend ausgeführt. Sie beruhen auf allseitigen Untersuchungen, berücksichtigen die geklagten Beschwerden, wurden in Kenntnis der Anamnese abgegeben und sind in der Darlegung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtend. Die Schlussfolgerungen der Begutachter sind begründet und nachvollziehbar. Insbesondere stehen die Gutachten auch in keinem Widerspruch zu den älteren ärztlichen Feststellungen. So hielt Dr. E. im Bericht vom 16. April 2005 fest, dass der Kläger nach seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Jahr 1997 mit viel
Energie über einige Jahre eine 30 %-ige Arbeitsfähigkeit habe aufrechterhalten können. Er sei dabei aber zusehends ausgebrannt, und seit der Bypassoperation sei ihm überhaupt keine Arbeitstätigkeit mehr zumutbar gewesen. Dabei sei der Beginn der 100 %igen Arbeitsunfähigkeit letztlich aber rein zufällig identisch mit der Bypassopera tion. Es gehe um eine chronisch depressive Entwicklung bei einer äusserst gekränkten und kränkbaren Persönlichkeit (BV 2005/11 act. G 1.1.10). Dr. E. ging davon aus, dass die Invalidität der eigenen Tochter und die Kündigung durch die A. beim Kläger die depressive Entwicklung, welche schliesslich zur völligen Arbeitsunfähigkeit führte, in Gang gesetzt hatte. Die kardialen Geschehnisse im Jahre 2003 hatten auch
gemäss seiner Beurteilung kaum eine Rolle gespielt. Damit ist der Beweiswert der
Gutachten vom 3. Januar 2008 und 3. Oktober 2008 ausgewiesen (vgl. BGE 125 V 351
E. 3a S. 352 mit Hinweis; BGE 122 V 157 E. 3c S. 160 f. mit Hinweisen), weshalb auf
sie abgestellt werden kann.
Zusammenfassend steht fest, dass zwischen der ursprünglichen Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen und der ab Juli 2003 eingetretenen Erhöhung der Invalidität die sachliche Konnexität gegeben ist. Damit ist die Beklagte für die Erhöhung des Invaliditätsgrads auf 100 % leistungspflichtig.
4.
Die Höhe einer vollen Invalidenrente richtet sich nach Art. 7 Abs. 6 des Reglements der Beklagten vom 1. Januar 1985 (vgl. zum anwendbaren Reglement: BV 2005/11 E. 3c). Dieser Artikel stellt die Vollinvalidenrente als der bei Beginn der Invalidität versicherten Altersrente gleich. Bei Teilinvalidität wird die Invalidenrente auf den dem Invaliditätsgrad entsprechenden Teilbetrag herabgesetzt. Bei einer Änderung des Invaliditätsgrads wird die Invalidenrente entsprechend neu festgesetzt, wobei stets auf diejenige Altersrente abgestellt wird, die bei Beginn der Invalidität versichert gewesen ist. Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger ab 1. Juli 2003 - unter dem Vorbehalt einer allfälligen Kürzung aus Überentschädigung nach Art. 12 des Reglements eine volle Invalidenrente auszurichten.
5.
Der Kläger lässt die Beitragsbefreiung beantragen. Gemäss Art. 18 des Reglements der Beklagten entfällt die Beitragspflicht für Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach Massgabe des Invaliditätsgrads für die Dauer der Invalidität. Damit ist der Kläger ab 1. Juli 2003 von der Beitragspflicht vollständig zu befreien.
6.
Im Allgemeinen sind ausserhalb der Anwendbarkeit des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) in der Sozialversicherung auf Leistungen keine Verzugszinsen geschuldet (BGE 117 V 351,
113 V 50). Die berufliche Vorsorge bzw. das BVG ist dem ATSG nicht unterstellt (vgl. Art. 2 ATSG; SZS 2003 S. 199 ff.). Im Bereich der beruflichen Vorsorge anerkennt die Rechtsprechung jedoch die Pflicht zur Entrichtung von Verzugszinsen bei einer verspäteten Überweisung von Freizügigkeitsleistungen sowie bei verspäteter Auszahlung eines Alterskapitals bei Invalidenrenten (Hans-Ulrich Stauffer, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum BVG, 1997, S. 27). Enthalten die Statuten keine Bestimmungen über die Höhe des Verzugszinses, beträgt dieser 5 % (Art. 104 Abs. 1 OR). Der Beginn der Zinspflicht richtet sich nach Art. 105 Abs. 1 OR (BGE 119 V 133 E. 4 = Pra 83 (1994) Nr. 67). Danach hat ein Schuldner, der mit der Entrichtung von Renten in Verzug ist, erst vom Tag der Anhebung der Betreibung der gerichtlichen Klage an Verzugszinsen zu bezahlen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger am 17. Mai 2005 Klage beim Versicherungsgericht erhoben; somit schuldet ihm die Beklagte ab diesem Zeitpunkt Verzugszins zu 5 % auf den nach einer allfälligen Überentschädigungsberechnung ausstehenden Leistungen.
7.
Im nichtstreitigen Entscheidverfahren der beruflichen Vorsorge gilt, wie im gesamten Verwaltungsverfahren, der Untersuchungsgrundsatz (vgl. R. Schnyder, Das nicht streitige Entscheidverfahren in der beruflichen Vorsorge, in: Verfahrensfragen in der Sozialversicherung [hrsg. von R. Schaffhauser und F. Schlauri], St. Gallen 1996,
S. 131). Die Vorsorgeeinrichtung trägt insbesondere dort, wo keine Bindungswirkung des IV-Entscheids besteht (vgl. Entscheid des Bundesgerichts in dieser Sache vom 7. Mai 2007 [BV 49/06] E. 3 mit Hinweisen), die Verantwortung zur Abklärung des leistungsbegründenden Sachverhalts. Vorliegend wäre die beklagte Vorsorgeeinrichtung verpflichtet gewesen, zusätzliche Abklärungen vorzunehmen, da ihr sowohl bezüglich der Herzkrankheit als auch in Bezug auf den psychischen Krankheitsverlaufs keine zuverlässigen ärztlichen Unterlagen vorlagen, welche eine abschliessende Beurteilung ihrer Leistungspflicht gestattet hätten. Die Abklärung des Rentengesuchs war damit nicht ausreichend. Bei einer derartigen Verletzung der Untersuchungspflicht wird die Sache im Verwaltungsgerichtsverfahren üblicherweise vom Gericht an die Verwaltungsbehörde zurückgewiesen, damit diese ihre Versäumnisse nachholen kann und dem Betroffenen durch den Wegfall einer mit uneingeschränkter Kognition ausgestatteten Instanz kein Nachteil entsteht. Im Bereich
der beruflichen Vorsorge ist das Gericht nun aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht befugt, die Sache zur Vornahme ergänzender Abklärungen und neuer Entscheidung an die Vorsorgeeinrichtung zurückzuweisen (SZS 2000, 172; BGE 117 V 237; BGE 115 V 239). Deshalb musste das notwendige Obergutachten vom Versicherungsgericht eingeholt und die unzureichende Abklärung durch die Beklagte auf diese Weise nachgeholt werden. Damit rechtfertigt es sich aber auch, die daraus entstehenden Kosten der Beklagten zu auferlegen, deren Obliegenheit es aufgrund des geltenden Untersuchungsgrundsatzes gewesen wäre, diese Abklärungen zu treffen (vgl. dazu U. Kieser, Das Verwaltungsverfahren in der Sozialversicherung, Zürich 1999, Rz 534). Hieran vermag auch die in Art. 73 Abs. 2 BVG angeführte grundsätzliche Kostenlosigkeit des Verfahrens nichts zu ändern, denn es kann nicht angehen, dass der Staat die Kosten für ein Gutachten zu übernehmen hat, das die Vorsorgeeinrichtung in Verletzung ihrer Untersuchungspflicht nicht eingeholt hat. Entsprechend sind daher die Kosten von insgesamt Fr. 3'642.15 für das vom Gericht angeordnete Obergutachten von der Beklagten zu tragen.
8.
Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Klage insoweit gutzuheissen, als die Beklagte - unter Vorbehalt einer allfälligen Kürzung aus der Überentschädigungsberechnung verpflichtet wird, dem Kläger ab 1. Juli 2003 Invalidenleistungen auf Grund einer Invalidität von 100 % gemäss Gesetz und Reglement zuzüglich 5 % Verzugszins ab 17. Mai 2005 zu bezahlen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 73 Abs. 2 BVG). Hingegen hat der Kläger bei diesem Ausgang des Verfahrens Anspruch auf den vom Gericht festgesetzten Ersatz der Parteikosten (Art. 73 Abs. 2 BVG und Art. 98 ff. VRP) durch die Beklagte. Im vorliegenden Verfahren erscheint eine Entschädigung von Fr. 4'500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer und Barauslagen) für die Verfahren B 2005/11 und B 2007/9 als angemessen.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
Die Klage vom 17. Mai 2005 wird dahingehend gutgeheissen, dass die Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger auf Grund eines Invaliditätsgrads von 100 % ab 1. Juli 2003 unter gleichzeitiger Befreiung von der Beitragspflicht eine volle Invalidenrente auszurichten, soweit aus der Überentschädigungsberechnung keine Kürzung resultiert, zuzüglich 5 % Zins ab 17. Mai 2005.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Die Beklagte hat dem Kläger eine Parteientschädigung von Fr. 4'500.-zu
bezahlen.
Die Kosten der interdisziplinären Begutachtung von Fr. 3'642.15 werden der
Beklagten auferlegt.
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